Der Weg zur Ruder-WM in Linz-Ottensheim

von RCH Admin
Zugriffe: 8403

Bronze am Ende einer turbulenten Saison

Die Vorfreude auf den Ruder-Weltcup in Rotterdam war groß bei meiner Zweierpartnerin Vera Spanke und mir. Doch dann wollte der verantwortliche Bereichstrainer Ralf Hollmann uns den Start verwehren! Die Begründungen, warum wir nicht starten dürfen sollten (nachdem wir vorher eine schriftliche Zusage bekommen hatten), änderten sich mehrfach und waren nicht nachvollziehbar. 2 Tage lang führte ich gefrustet, wütend und traurig unzählige Telefonate und schrieb Emails.

Letztendlich schafften wir es, dass Vera und ich doch Mitte Juli in Rotterdam im Leichtgewichts-Frauen-Doppelzweier gegen die starke internationale Konkurrenz und das andere deutsche Duo (Leonie Pless und Leonie Pieper) antreten durften. Vielen Dank an alle, die uns bei diesem Prozess geholfen haben! Bei extrem starkem Gegenwind erruderten wir uns einen Startplatz im Halbfinale, wo wir allerdings deutlich den Einzug ins Finale verpassten. Im B-Finale trafen wir auch auf den anderen deutschen Doppelzweier, der leider sehr knapp das A-Finale verpasst hatte. In einem engen Rennen belegten wir den 5. Platz, nur 1,5 Sekunden hinter den beiden Leonies auf dem 3. Platz.

Damit war für Vera und mich klar, dass wir im Doppelvierer zur WM fahren werden. Die Entscheidung, dass die beiden Leonies mit uns Doppelvierer fahren und nicht im Doppelzweier bei der WM starten dürfen, war für uns alle nicht nachvollziehbar. Nach einer Saison mit vielen chaotischen Entscheidungen, unehrlichen Begründungen und vielem hin und her, waren wir alle vier total genervt und enttäuscht. Statt trotzig zu sein, wollten wir aber diesen Frust als extra Motivation sehen, um einen schnellen Vierer zu bilden.

Die Trainingslager absolvierten wir in Berlin, Offenbach und München. Knapp 4 Wochen sind zwar viel Zeit, wenn man das aber mit den „schweren“ deutschen Doppelvierern vergleicht, die meist eine ganze Saison zusammenfahren, dann war unsere Zeit sehr kurz bemessen. Neben den Rudereinheiten machten wir auch viel Training auf dem Rennrad mit bis zu 113 km langen Touren. Die Stimmung im Boot und an Land war gut und pufferte einiges der Strapazen des harten Trainings und der Unzufriedenheit mit dem Trainer ab.

Zur WM in Linz meldeten leider nur vier weitere Boote: China (Weltmeister 2018), Italien (die diesjährigen U23-Weltmeister), USA (4. Platz 2018) und Vietnam. So gab es keine Vorläufe, sondern nur ein Testrace. Wir bekamen von unserem Trainer die Anweisung, taktisch und etwas reduziert zu fahren. Deshalb konnten wir unseren vierten Platz in diesem Testrace nicht richtig einordnen. Wir wussten nur, dass wir im Finale deutlich mehr investieren müssen, können und würden. Wir hatten das Ziel, aufs Treppchen zu rudern und möglichst weit nach vorne anzugreifen und liebäugelten auch etwas damit, um den Weltmeistertitel mitzukämpfen. Die Spannung, Aufregung und Vorfreude wuchsen in den Tagen vor dem Finale.

Am Freitag, den 30. August 2019 war es endlich so weit, nachmittags sollte das Finale starten. 2 Stunden vor dem Start müssen wir Leichtgewichte auf die Waage. Da ich gut 2,5 kg unter dem Mannschaftsgewicht wog, konnten die anderen dementsprechend etwas mehr wiegen. Das war sowohl für die physische Verfassung gut, als auch für die Stimmung während der Trainingslager und der Wettkampftage. Denn hungrige Sportler sind meist etwas unausgeglichener und schneller reizbar.

Die Anspannung vor dem Start war maximal, volle Konzentration und die Mobilisation aller Kräfte waren von jeder Ruderin gefragt, um sich für die harte Arbeit in der Saison zu belohnen. Die Ampeln sprangen auf grün. Unser Start gelang gut, deutlich besser als sonst im Training. Jetzt hieß es drauf bleiben. Nach 500 m waren wir immer noch bei einer Frequenz von 40 Schlägen pro Minute und über die gesamten 2.000 m waren wir nie unter Schlagfrequenz 38. Doch die Italienerinnen waren in der Startphase unaufhaltsam, sie führten nach 500m mit 2 Sekunden Vorsprung auf uns, China war knapp vor uns und die USA knapp hinter uns. Wir hatten einen guten Streckenschlag und wenn ich Spurts ansagte, ging die Geschwindigkeit immer etwas hoch. So schafften wir es, dass die Italienerinnen und Chinesinnen sich nicht weiter entfernten, aber wir kamen leider auch nicht entscheidend an sie heran, auch die USA konnten wir nicht abschütteln. 500 m vor dem Ziel, alles tat schon weh, wir schafften es aber das Tempo zu erhöhen und kamen an die Chinesinnen heran, die konterten jedoch und im Endspurt kam die USA gefährlich dicht an uns heran. Wir zogen und traten und schafften es, uns als dritte über die Ziellinie zu retten! Bronze hinter Italien und China! Völlig verausgabt legten wir am Siegersteg an und nahmen glücklich die Medaillen in Empfang.

Der Deutsche Ruderverband belegte in der Nationenwertung den vierten Platz mit 3 Goldmedaillen und 3 Bronzemedaillen. Marie-Louise Dräger (meine Zweierpartnerin von 2015/16) wurde Weltmeisterin im leichten Einer, genauso wie Oliver Zeidler im Männereiner und der Männerachter. Leider konnte der DRV nur in 5 von 14 Bootsklassen die direkte Olympia-Qualifikation schaffen. Die Bootsklassen, in denen die direkte Olympia-Qualifikation nicht eingefahren wurde, haben die Chance im kommenden Jahr sich einen der wenigen Nachqualiplätze zu erkämpfen. Auch der Leichtgewichts-Frauen-Doppelzweier, die einzige olympische Bootsklasse für mich als Leichtgewicht, muss sich erst im nächsten Jahr nachqualfizieren. Dieses Ziel wird sehr schwer zu erreichen sein, ich werde es aber nach einer kurzen Sommerpause zielstrebig und motiviert versuchen!

Fini Sturm