Rudertour auf den Spuren „Fritze Bollmann’s“
- von RCH Admin
-
in Aktuelles
-
Zugriffe: 3781
Brandenburg/Havel 05. Mai 2018
Vorbemerkung
Der legendäre Barbier der Havelstadt Fritze Bollmann hätte die Tour um seine Heimatsstadt rudernd im Angelkahn kräftemäßig sicherlich nicht überstanden, zumal zu seinen Lebzeiten um 1900 auch noch keine Umfahrt möglich war, da der 5 km lange Silokanal erst 1910 fertiggestellt wurde.
Die Umfahrt
Wir, 22 tatkräftige Ruderinnen und Ruderer des R.C.H.B. und der PRG, trafen uns am 05. Mai 2018 im Brandenburger Bootshaus an der Hammerstraße, um gemeinsam in 4 Doppelvierern mit Stm. und einem Doppelzweier die Ausfahrt bei herrlichem Sonnenschein in Angriff zu nehmen. Wir ruderten natürlich nicht nur, sondern ließen uns auch von der Havellandschaft und der interessanten Geschichte am Wasser inspirieren. Die Fahrt führte zunächst von der Näthewinde zur Havel mit Blick auf die Gotthardkirche und den Dom. Die Homeyenbrücke unterquerend waren wir kurze Zeit später schon auf dem Kleinen Beetzsee. Hier warteten die ersten Bootsbesatzungen auf die Nachzügler. Zeit genug die Freifläche am Grillendamm zu betrachten, wo einst eine frequentierte Freibadeanstalt mit Sprungtürmen ihren Standort hatte. Vor diesem Freibad grüßte jahrzehntelang das Denkmal Fritze Bollmanns nicht nur die Badenden. Am Ende des kleinen Beetzsee‘s fuhren wir nicht weiter nördlich in Richtung Regattastrecke, sondern bogen in den Silokanal ein, der den Beetzsee mit dem Quenzsee durch eine nördliche Umgehung der Stadt verbindet und zur Entlastung der Stadt und zur Verbesserung der Schifffahrt beitrug. Diese künstliche Wasserstraße wird durch 5 Brücken überquert, welche die Brandenburger Stadtteile verbinden. Seit dem Bau des Kanals siedelten sich auf Grund der günstigen Standortbedingungen viele Industriebetriebe an, so u. a. ab 1935 die Adam Opel AG die damals modernste LKW Fabrik der Welt. Auch der Opel “Blitz“ rollte dort vom Band, wo heute nur noch Bauten aus DDR Zeiten stehen. Im weiteren Verlauf des Kanals passierten wir die übrig gebliebenen Industriebauten des Stahl- und Walzwerkes, dass nach dem II. Weltkrieg das größte Werk seiner Art in der DDR war. Stahl wurde am Silokanal schon seit 1912 geschmolzen und die Schornsteine des Werkes fanden sogar im ehemaligen Stadtwappen Brandenburgs ihren Platz.
Nachdem wir die Quenzbrücke unterquerten, befanden wir uns schon auf dem Quenzsee. Hier waren die Wassersportler der BSG Stahl Brandenburg beheimatet, wo die erfolgreichste Kanusportlerin der Welt, Birgit Fischer, ihre ersten Paddelschläge ins Wasser setzte. Vom Quenzsee konnten wir schon in der Ferne unsere Raststätte, die Insel Buhnenwerder, erkennen. Die Insel steht unter strengem Naturschutz und das Anlegen und Betreten der Insel ist nur an den dafür vorgesehenen Stellen möglich. Unsere Brandenburger Ruderkameraden versorgten uns hier fürsorglich mit einem leckeren Rudereressen. Gut gestärkt, nahmen wir von der Insel ablegend, Kurs auf den Leuchtturm in Richtung Havelmündung. Die Rücktour führte uns an der altehrwürdigen Gaststätte Buhnenhaus vorbei auf der naturbelassenen Havel bis in die Brandenburger Innenstadt. Kurz vor Brandenburg passierten wir noch den Gebäudekomplex der ehemaligen Sportschule, wo einige unserer Ruderer an ihre aktive Zeit erinnert wurden. In unmittelbarer Nähe befand sich ein weiterer Industriestandort die Eisengießerei „Elisabethhütte“, wo heute der „Havelhafen“ beheimatet ist. Hinter der neuen Straßenüberführung und der alten Eisenbahnbrücke über die Havel war man jahrzehntelang von den Gerüchen und den weißen Fladen auf dem Wasser umgeben. Diese stammten aus der ehemaligen Stärkefabrik, die unmittelbar an der Havel angesiedelt war. Heute ist davon nichts mehr zu spüren und während unserer Vorbeifahrt konnten wir erkennen, dass die Ruinen dem Erdboden gleich gemacht wurden. Vorbei an den Mündungen des Jakobsgrabens und des Schleusenkanals erreichten wir schon die Luckenberger Brücke in der Stadtmitte. Beiderseits der Havel befinden sich unmittelbar am Ufer ausgezeichnete Promenadenwege. Der Weg am Heine Ufer wird durch eine ganz besondere Brücke überspannt. Die über den Pumpergraben führende Brücke wird wegen ihrer ungewöhnlichen Wölbung von den Brandenburgern nur „Bauchschmerzenbrücke“ genannt. Der offizielle Namen Gottfried-Krüger-Brücke (nach seinem Stifter benannt) ist den meisten Brandenburgern nicht geläufig. Über diese Brücke existieren mehrere Sagen und eine dieser Geschichten finde ich besonders originell.
Ein jeder der die Brücke kennt,
Sie auch „Bauchschmerzenbrücke“ nennt;
Und man erzählt in dieser Stadt,
Woher sie ihren Namen hat:
Wer oft in seinem Leben lügt,
Und über diese Brücke geht.
Und oben in der Mitte steht,
Ganz plötzlich schweres Bauchweh kriegt!
Und das vergisst der Bösewicht
In seinem ganzen Leben nicht.
An der Jahrtausendbrücke die im Zuge der Jahrtausendfeier der Stadt 1929 ihren Namen erhielt (vormals Lange Brücke) waren wir schon fast am Ziel. Bevor wir am Bootshaus anlegten durchfuhren wir aber noch ein besonders interessantes Areal an der Havel. Unmittelbar an der Brücke am Wasser liegt das Gebäude des Fontane-Klubs. Zu DDR Zeiten ein Zentrum der Intellektuellen, überstand es die Wendezeit und ist als Klub „Fonte“ mit Gaststätte heute immer noch gut besucht. Interessant ist hier die Historie des Gebäudes. In diesem Gebäude, das früher Cafe „Havelterassen“ hieß, befand sich auch das Clublokal des Ruder-Club-Havel Brandenburg, in welchem am 26.05.1906 der Verein gegründet wurde. Das heutige Bootshaus in der Hammerstraße (benannt nach dem von 1897/1905 regierenden Oberbürgermeister Hammer) wurde erst 1921 erbaut. Vorher befand sich der Bootsschuppen auf „Kleins Insel“ am anderen Ufer der Näthewinde. Auf der anderen Uferseite der Jahrtausendbrücke ist heute ein Gebäude neu hergerichtet, die als Gaststätte umgebaute „Werft“. Das Gelände war jahrzehntelang vom Schiffsbau geprägt. Ehemals als private Wiemann Werft, nach 1945 als VEB Ernst Thälmann Werft. In Vorbereitung der BUGA 2015 wurde das gesamte Gelände umgestaltet und dient derzeit als Naherholungspark. Der Uferweg führt direkt am Bootshausgelände vorbei. Bevor wir die Havel endgültig verließen und in die Näthewinde einbogen, „begrüßte uns noch eine große Deutschlandfahne“ am Havelufer. Es ist der Wohnsitz des ehemaligen Generalstaatsanwaltes des Landes Brandenburg Dr. Erardo Rautenberg. Was er uns wohl mit der deutlichen Beflaggung an seinem Grundstück sagen wollte?
Der Ausklang
Unsere schöne Tour war dann am Bootssteg des R.C.H.B. beendet. Nach der üblichen Prozedur der Reinigung und Lagerung der Boote kam nun der gemütliche Teil. Unsere Brandenburger Ruderkameraden verwöhnten uns mit Leckereien vom Grill und anschließendem Kaffee und Kuchen. Natürlich standen auch Durstlöscher bereit. Dafür möchte ich allen Brandenburger Ruderkameraden im Namen der PRG-Ruderer nochmals herzlichen Dank sagen. Übrigens dort wo wir gemütlich saßen und den Tag ausklingen ließen, eröffnete an der Hammerstraße bereits 1868 eine städtische Bade- und Schwimmanstalt ihre Pforten. Mit hohen Holzzäunen getrennt für Männlein und Weiblein war es die erste Badeanstalt in der Stadt. Auch die 1999 eingeweihte Brücke über die Näthewinde hatte schon eine kuriose Vorgängerin. Die Instandsetzungstruppen des Sicherheits- und Hilfsdienstes der Nazis (SHD) errichteten 1942 eine Brücke, die 1945 zerstört wurde.
Die Spur Fritze Bollmanns
An den alten Fritze Bollmann und das ihm zu Ehren geschaffene Spottlied, kommt man in Brandenburg an der Havel einfach nicht vorbei, zumal man auf dem Wasser unterwegs war. Fritze Bollmann der Barbier und Vater von 11 Kindern lebte tatsächlich vor 1900 an der Havel in der Altstadt und hatte dort einen kleinen Barbiersalon. Fritzes Hobby war das angeln in seinem Kahn und er war auch dem Alkohol nicht ganz abgeneigt. Als er vermutlich alkoholisiert von seinem Kahn ins Wasser fiel, blieb das Missgeschick seinem Umfeld, insbesondere den Kindern, die ihn ärgerten, nicht verborgen. Umgehend wurde ein Spottlied gedichtet und später nach seinem Tode auf bis zu 17 Reimen ergänzt. Der alte Fritze ist somit nicht auf dem Wasser ertrunken, sondern mit 49 Jahren in einem Brandenburger Krankenhaus gestorben.
Riemen- und Dollenbruch wünscht allen Beteiligten
Werner Sidow