Deutsche Großboot- und Sprintmeisterschaften

von RCH Admin
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Sturm und Donner in Salzgitter bei 25° und Sonnenschein

Wettkampf einmal anders

Da haben sich die beiden Richtigen gefunden: Sturm und Donner

Die Idee kam von Steffi: „Fini, hast du Lust mit mir in Salzgitter bei den Deutschen Meisterschaften im leichten Doppelzweier zu starten?“ Fini biss sofort an. Ja, mit Steffi, deutsche Jugendmeisterin bei den Leichtgewichten vor fast 20 Jahren, in einem Boot, das gefiel ihr. Steffi Michaelis (ehemals Donner) kennt Fini vor allem aus Erzählungen von Herti, Steffis damaligen Trainer.

Das machte Fini zusätzlich Lust auf ein näheres Kennenlernen in und außerhalb des Bootes. Steffi ist weiterhin Vereinsmitglied beim R.C.H.B. obwohl sie seit mehr als fünfzehn Jahren erst in Berlin und dann in Nordrhein Westfalen lebt. Aber am Vereinsleben nimmt sie trotzdem immer noch aktiv teil. Sie treibt auch in Dortmund neben Beruf und Kind regelmäßig Sport, auch wenn sie dort nur auf dem Ergometer rudern kann und startet auch hin und wieder auf Mastersregatten. Steffi kümmerte sich um die Meldungen und Fini übernahm die restliche Organisation. „Papa, wärest du ggf. bereit mich und den Bootsanhänger nach Salzgitter zur deutschen Großboot- und Sprintmeisterschaft zu fahren?“ „Ja, kann ich machen, wenn es kein anderer macht.“ Erfreulicherweise hat es kein anderer gemacht.

Schon auf der Hinfahrt ein erstes längeres Gespräch über das Rudern, die Saison und welches Glück Fini mit ihrem Trainer Herti hat, der Eigeninitiative (nicht nur wie diese), Mitdenken und Mitfühlen sowie ein gesundes Maß an Flexibilität selbst praktiziert und fördert.

Als wir uns mit Steffi, ihrem Sohn Max und ihrem Ehemann Mark getroffen und alles vorbereitet hatten (Herti wurde telefonisch wegen der Skull-Einstellungen konsultiert) wollten die beiden gleich aufs Wasser um zu sehen, wie es klappt. Viel konnten wir beiden Laien (Mark und ich) nicht sehen, weil das Boot meist außer Sichtweise war und wir beide vom Rudern keine „richtige Ahnung“ haben. Aber für uns sah es ziemlich harmonisch aus. Erst saß Steffi im Bug und Fini auf Schlag, dann wurde getauscht, um zu sehen wie es sich andersherum anfühlt, zwischendurch mal kleine Videos angeschaut, die wir vom Ufer aus gemacht hatten. Dann wurde nochmals die erste Kombination probiert, die sich doch noch etwas besser anfühlte. Das war toll anzusehen und zu erleben. Die offensichtliche Freude, die beide miteinander hatten, die unkomplizierte freundliche Verständigung im Boot und an Land, alles mit viel Lächeln und Lachen. Und trotzdem waren beide richtig bei der Sache, aber entspannter als man es sonst kennt.

Samstag 6:30 Uhr bei Dunkelheit Abfahrt zur Regattastrecke, Einfahren bei Tagesanbruch in der Dämmerung und um 8:00 Uhr pünktlich zum Sonnenaufgang Vorlauf zur deutschen Sprintmeisterschaft im Doppelzweier auch gegen die Schweren. Es wäre schön sich direkt für das Finale am Sonntag zu qualifizieren, denn dann erspart man sich den Hoffnungslauf um die Mittagszeit.

Auch die Streckenlänge war für beide neu: 350m, das heißt gleich volle Kanne, hohe Schlagzahl und trotzdem harmonisch und effektiv zu rudern. Es klappte hervorragend, selbst gegen besser eingespielte Teams: Steffi und Fini setzten sich gegen die Konkurrenz durch und gewannen ihren Vorlauf. Es ruckelte etwas im Boot, aber das dürfte wesentlich durch die hohe Schlagzahl bei der kurzen Distanz bedingt gewesen sein. Und natürlich war es auch richtig anstrengend.

Am Nachmittag wurde es dann ernster: Deutsche Meisterschaften der Großboote, 1.000m, Doppelzweier, Leichtgewichte, gleich Finallauf mit sechs Mannschaften. Hier es ging sofort richtig zur Sache. Steffi und Fini lagen nach dem Start zunächst hinten und erst zur Streckenhälfte arbeiteten sie sich auf den dritten Platz nach vorne. Sie wollten aber mehr. An das Boot aus Berlin kamen sie allmählich heran, aber das Offenbacher Boot hielt kräftig dagegen und ließ sich nicht beeindrucken. Und das Ziel schien nahe. Da rief Steffi im Bug: kürzer (d.h. kürzere Schläge um die Schlagzahl zu erhöhen). Und der Turbo funktionierte. Sie zogen relativ zügig an dem Berliner Boot mit Sofie Vardakas und Luisa Simon, deutsche U19 Meisterinnen, und dann auch an den Offenbacherinnen vorbei und führten mit einer Luftkastenlänge. Gleich muss das Ziel kommen, aber es war noch ein kleines Stück. Doch sie hielten durch und konnten den Vorsprung ins Ziel retten. Deutsche Meisterinnen im leichten Doppelzweier, und das als reines Vereinsboot. Die Leistung ist erstaunlich, vor allem von Steffi, die seit vielen Jahren keinen Hochleistungssport mehr betreibt.

Am nächsten Tag stand dann das Finale der Sprintmeisterschaften (350m) auf dem Plan, allerdings ohne Gewichtsbeschränkung, also gegen teilweise physisch deutlich überlegene Gegnerinnen. Leider mit etwas Gegenwind, der für Leichtgewichte besonders ungünstig ist. Jetzt hieß es wieder volle Kanne vom Start bis ins Ziel. Fini und Steffi kamen nicht so gut in Schwung wie die Gegnerinnen, gaben aber alles. Sie holten auch noch etwas auf, aber diesmal reichte es leider nicht für das Treppchen. Sie wurden knapp Vierte. Die ersten fünf Boote alle innerhalb von zwei Sekunden ins Ziel. Ein tolles Ergebnis für die Beiden.

Auch Tobias Oppermann, weiterhin Vereinsmitglied beim R.C.H.B., aber für die Ruderunion Arkona Berlin startend, war bei den deutschen Großbootmeisterschaften sehr aktiv und erfolgreich. Er wurde sowohl bei den Großbootmeisterschaften im Achter als auch bei den deutschen Sprintmeisterschaften im Zweier ohne Steuermann mit seinem „alten“ Partner Bodo Schacher deutscher Meister. Zusätzlich belegten beide im Sprint-Achter den dritten Platz.

Max Röger, ebenfalls einst Spitzenruderer beim R.C.H.B., belegte mit seinem neuen Verein RG Wiking Berlin bei den Großbootmeisterschaften im Doppelzweier den vierten und im Doppelvierer den fünften Platz.

Insgesamt war die Fahrt zu den Deutschen Titelkämpfen nach Salzgitter ein ausgesprochen schönes Erlebnis. Es ging lockerer zu als zum Beispiel bei der deutschen Kleinbootmeisterschaft, wo es darauf ankommt, sich für die Saison für die entsprechenden Boote zu empfehlen. Nicht nur für Fini und Steffi war es ein tolles Erlebnis mal etwas lockerer an einer deutschen Meisterschaft teilzunehmen und auch mal ungewohnte Strecken und eine ungewohnte Bootsbesetzung zu fahren. Hinzu kommt, dass von den Juniorinnen bis zu den Masters alle Altersgruppen vertreten waren.

Nächstes Jahr werden die deutschen Großbootmeisterschaften zusammen mit den Hochschulmeisterschaften und den German Masters Open im Juli auf dem Beetzsee in Brandenburg an der Havel ausgetragen. Das ist eine tolle Gelegenheit kurzweilige Ruderwettkämpfe anzusehen bei denen man mit bloßem Auge die gesamte Strecke überblicken und die heimischen Rudermannschaften anfeuern kann.

Walter Noske