Ruder-WM in Sarasota (Florida)

Zwölf Monate intensives hartes Training lagen hinter mir, um beim Saisonhöhepunkt, den Ruder-Weltmeisterschaften 2017 in Florida, fit an den Start gehen zu können.

Und dann kam die Warnung, dass Mitte September Hurrikan „Irma“ Florida überqueren wird und die WM stand plötzlich auf der Kippe!!! Zweifel und Fragen kamen auf; wie schwer wird Irma Sarasota und die Regattastrecke verwüsten? Kann die WM dort stattfinden? Aber die Vorstellung, seinen „Freizeitsport“ in einem Gebiet auszuüben, wo den Einheimischen unmittelbar zuvor die Häuser einstürzten schien auch gruselig.

Kurz vor unserem Abflug am 18.9.2017 kam dann die freudige Nachricht, dass „Irma“ Sarasota weniger übel als erwartet getroffen hat und dass die Veranstalter zuversichtlich sind mit den Aufbau- und Aufräumarbeiten pünktlich zur WM fertig zu werden. Wir kamen 5 Tage vor Beginn der Wettkämpfe gut in Sarasota an, jedoch fehlten unsere Boote! Denn das Schiff mit der Bootsflotte an Bord konnte in Miami nicht anlegen, sondern musste wegen „Irma“ nach Texas umgeleitet werden. So mussten die Boote 1.800 km über Land nach Florida gefahren werden. So blieb uns nichts anderes übrig als das Training der ersten beiden Tage auf dem Ruderergometer, auf dem Spinning-Rad oder laufend zu überbrücken. Viele andere Nationen hatten allerdings dasselbe Handicap. Auch die sechs Stunden Zeitverschiebung und vor allem die Akklimatisierung an das extrem heiße und schwüle Klima erschwerten die Vorbereitung auf die Wettkämpfe erheblich.

Einigermaßen an die Situation adaptiert konnten meine Zweierpartnerin Leonie Pless (Frankfurter Rudergesellschaft Germania) und ich am 24.09. gespannt und freudig mit dem Vorlauf in die WM starten. Gegen Griechenland, China, Frankreich und die Schweiz mussten wir mindestens zweite werden, um uns direkt für das Halbfinale der besten Zwölf zu qualifizieren und den kräftezehrenden Hoffnungslauf zu umgehen. In einem guten Rennen belegten wir hinter Frankreich und China aber leider „nur“ den dritten Platz. Zwei Tage später hatten wir dann im Hoffnungslauf die zweite Chance uns ein Ticket für das Halbfinale zu errudern. Durch einen gelungenen Start konnten wir uns gemeinsam mit Griechenland und Dänemark an die Spitze des Feldes setzen, dicht gefolgt von Schweden. Peru und Mexiko waren sehr schnell abgeschlagen und ohne Einfluss auf das Renngeschehen. Ein dritter Platz würde für den Einzug in das Halbfinale reichen. Die Däninnen setzten sich auf der zweiten Streckenhälfte ab und gewannen das Rennen. Wir mussten die ständigen Attacken der Griechinnen und Schwedinnen abwehren. Durch einen sehr guten aber auch extrem anstrengenden Endspurt konnten wir schließlich vor Griechenland als zweite über die Ziellinie rudern. Die Schwedinnen qualifizierten sich mit ihrem vierten Platz nur für das C-Finale der insgesamt 17 gestarteten Doppelzweiern.

Realistische Chancen auf einen Einzug in das A-Finale (Platz 1-6) hatten wir im Halbfinale eigentlich nicht. Doch das hieß nicht, dass wir es nicht versuchen wollten, denn schließlich müssen auch die Favoriten erst mal die 2000m schnell rudern und erst im Ziel stehen die Platzierungen fest. So versuchten wir mit einem aggressiven Rennangang möglichst lange das Rennen mitzugestalten. Wir legten einen Blitzstart hin und hatten kurzzeitig eine ganze Bootslänge Vorsprung vor der Konkurrenz. Wir fuhren mutig weiter, doch die anderen Boote schlossen bald wieder auf. Wir konnten das enorm hohe Tempo nicht halten, verloren ein wenig die Harmonie, fielen auf den letzten Platz zurück und waren im Ziel ein wenig enttäuscht. Aber wir hatten es wenigstens versucht.

Am Samstag im B-Finale (Platz 7-12) wollten wir es besser machen! Wir starteten etwas verhaltener, waren aber trotzdem mit den anderen Booten etwa auf einer Höhe. Diesmal konnten wir unser Renntempo stabil halten, mussten dann aber doch Frankreich und Italien ziehen lassen. Die Angriffe vor allem von China und Griechenland konnten wir jedoch erfolgreich abwehren. Völlig erschöpft erkämpften wir den dritten Platz und damit insgesamt Rang neun bei dieser Weltmeisterschaft. Dies war unser bestes Rennen der Saison! Vor der WM hatten wir damit geliebäugelt uns noch weiter vorne zu platzieren, denn in der Vorbereitungsphase war uns nochmals ein deutlicher Leistungssprung gelungen. Jedoch war auch im nacholympischen Jahr die Konkurrenz sehr stark und die Leistungsdichte enorm. Welch ein gelungener Saisonabschluss!

In einem extrem engen, packenden und beeindruckenden A-Finale einige Stunden später wurde Rumänien Weltmeister, ganz knapp vor Neuseeland und den USA. Alle drei Boote kamen innerhalb von 0,5 Sekunden ins Ziel.

Wir sind auch froh, die WM ohne Krokodilattacken überstanden zu haben! Denn in der Regattastrecke leben tatsächlich große Alligatoren!!! Eine einheimische Triathletin empfahl uns nicht alleine ins Wasser zu gehen. Sie verriet uns, dass sie immer darauf geachtet hat, sich nie einzeln am Ende oder am Anfang einer Schwimmergruppe aufzuhalten obwohl sie uns mitteilte, dass die Alligatoren recht ungefährlich sind. Wir haben leider aber auch zu unserer Erleichterung keinen Alligator mit eigenen Augen gesehen. Doch einige andere Ruderer der deutschen Mannschaft hatten das Glück welche live zu sehen!

Es war eine beeindruckende Weltmeisterschaft für mich. Über 900 Ruderer aus 70 verschiedenen Nationen lieferten sich wirklich spannende und hochklassige Rennen. Die Regattaanlage war riesig und hatte etwas Event-Charakter. Neben der Tribüne reihten sich viele Verkaufs- und Essensstände aneinander, es gab regelmäßig Live-Musik und viele Tausende Zuschauer sorgten für eine fantastische Stimmung! Die vielen freiwilligen und sehr freundlichen Helfer sorgten für eine toll organisierte Weltmeisterschaft.

Insgesamt holte der Deutsche Ruderverband eine Goldmedaille im Männerachter (der damit seine beeindruckende Saison ungeschlagen beendete) und 4 Bronzemedaillen. Die Weltspitze im Rudern rückt immer näher zusammen, immer mehr Nationen teilen sich die Weltmeistertitel und Medaillen.

Mitte Oktober werde ich noch zusammen mit Steffi Michaelis bei den Deutschen Großboot- und Sprintmeisterschaften am Start sein, dann ist diese lange Rudersaison endlich beendet. Ich werde dann erstmal eine kurze Trainingspause einlegen, um mich richtig zu erholen und auch etwas Abstand zum Ruder-“Stress“ zu bekommen.

Ende November beginnt dann aber auch schon wieder die neue Saison, dann werde ich  wieder motiviert und fleißig mit dem Training beginnen ... um im nächsten Jahr unter anderem bei der WM in Plovdiv (Bulgarien) hoffentlich wieder an den Start gehen zu können.

Fini Sturm