Vom Doppelvierer-Traum zur Doppelzweier-Mission

von Annika Thiemer
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Was es bedeute, an der Selektion in einer olympischen Saison teilzunehmen, lernte ich im vergangenen Winter.

Da mit den olympischen Spielen Ende Juli bis Anfang August der Zielwettkampf deutlich näher liegt als in einer Saison mit Weltmeisterschaft, die meist eher Anfang September stattfindet, beginnt auch die nationale Auswahl deutlich früher. Bereits ab Trainingsbeginn im Oktober fuhren wir in Berlin immer wieder verschiedene Kombinationen an Doppelvierern. Selektion war also jeden Tag und jede Einheit. Der Doppelvierer stand im Fokus, da dieser bereits für die Spiele qualifiziert ist und Priorität hat, das heißt möglichst stark besetzt werden soll. Zur ersten offiziellen Überprüfung des Verbandes bei der jährlichen Langstrecken Regatta in Dortmund mit dem 2000 Meter Wettkampftest auf dem Ergometer am Vortag, war ich leider krank und konnte nicht teilnehmen. Zu meinem Glück war ich jedoch in der darauffolgenden Woche wieder so fit, dass ich mit dem Team nach Lago Azul in das erste Trainingslager anreisen konnte. Hier waren wir vom 07. bis zum 20. Dezember. Im Fokus des Trainings stand weiterhin die Besetzung des Doppelvierers, die jedoch erst Ende Januar feststehen sollte. Das Training war in Blöcke eingeteilt, die je 4 Tage gingen und an deren Ende eine Belastung stand. Dann wurden die Viererbesetzungen für den nächsten Block getauscht. Ab dem zweiten Block konnte ich wieder voll ins Training einsteigen. Die Vierer liefen fast alle gut und es zeichnete sich hier bereits ab, dass die Leistungsdichte im Frauenskullteam sehr hoch war. Da die Entscheidung noch ein bisschen hin war, konnten wir das schöne Wetter in Lago auch etwas genießen. An einem freien Nachmittag stand sogar ein Ausflug nach Tomar, einer größeren Stadt in der Näher, auf dem Programm.

Am 20. Dezember ging es für uns wieder zurück nach Deutschland, um ein paar entspanntere Tage über Weihnachten zu genießen. Ich bereitete mich in dieser Zeit intensiv auf den Wettkampftest vor, den ich im neuen Jahr auf dem Ergometer nachholen würde. Am 09. Januar konnte ich bei diesem meine Leistung bestätigen und verbesserte meinen persönlichen Bestwert um 4 Sekunden auf 6:48.4 Minuten.

Danach ging es auch schon wieder nach Lago Azul zum zweiten Trainingslager vom 16. bis zum 31. Januar. Die Entscheidung rückte näher und damit stieg auch im gesamten Team die Anspannung. Bevor es ins Vierer Training ging, stand noch eine Überprüfung im Einer auf dem Plan. Dafür fuhren wir ins benachbarte Montemor zu einer Regattastrecke. Über zwei Tage fuhren wir hier ein Timetrial und Finalrennen. Die Rennen waren nicht unmittelbar Ausschlaggebend für die Besetzung, jedoch ein weiteres Mittel um unsere Einzelleistung zu prüfen und zu ranken. Leider schaffte ich es nicht in das erste Finale, konnte mir jedoch in einem sehr spannenden Rennen mit den 2. Platz im B-Finale knapp hinter Frauke Hundeling den insgesamt 9. Platz sichern. Die Besetzungen für die Trainingseinheiten wurden jetzt schneller gewechselt und es standen mehr Belastungen auf dem Plan. Es war ein insgesamt sehr anstrengendes Trainingslager, sowohl von physischer als auch mentaler Seite. Am Abend vor der Abreise versammelten wir uns für die Verkündung der Doppelvierer-Besetzung. Auch wenn diese keine Nominierung für sie olympischen Spiele bedeutete, war sie das zu diesem Zeitpunkt sicherste Ticket. Nur bei Unterperformance des Doppelvierers würde eine Neubesetzung in Erwägung gezogen werden. In diesem starken Frauenteam war mir bewusst, dass ich es nicht über rein physische Leistung in das Boot schaffen würde. Ich hoffte an diesem Abend, dass meine technische Leistung im Vierer und meine Erfahrung der letzten zwei Jahre für den Bugplatz die Trainer*innen überzeugt hatte.

Leider wurde mein Name nicht genannt. Im Vergleich zum Vorjahr blieben nur Tabea Schendekehl und Pia Greiten im Vierer sitzen, ergänzt vom Doppelzweier der letzten Saison, Maren Völz und Leonie Menzel.

Entsprechend enttäuscht reiste ich am nächsten Morgen zurück nach Berlin. Natürlich hatte es mich stark getroffen, nicht Teil des diesjährigen Frauendoppelvierers zu sein. Und dennoch war ich mir sofort sicher: Der Kampf um einen Startplatz in Paris ist noch nicht vorbei. In Berlin ging es direkt weiter um die Besetzung des Doppelzweiers. Dieser sollte nun möglichst bald entschieden werden, da das Boot bei der finalen olympischen Qualifikationsregatta in Luzern vom 19. bis zum 21. Mai starten muss. In Berlin wurden bereits einige Kombinationen getestet, bevor der Zweier über Testrennen und Trainer*innenmeinung im dritten Trainingslager in Avis beschlossen wurde. Nach Avis reisten wir vom 21. Februar bis zum 08. März. Etwas weiter südlich von Lago Azul gelegen ging es hier an einen ebenso landschaftlich schönen Ort. Leider hatten wir nicht so viel Glück mit dem Wetter: die gesamte erste Woche war es sehr windig und grau. Nichtsdestotrotz war die Selektion für den Zweier in vollem Gange. Jeden zweiten Tag fuhren zwei Zweier gegeneinander Rennen, danach wurden die Besetzungen getauscht. Insgesamt fuhren wir vier Rennen, von denen ich 3 für mich und meine jeweilige Partnerin entscheiden konnte. Je einmal gewann ich mit Frauke Hundeling, Lisa Gutfleisch und Juliane Faralisch. Nur mit Carlotta Nwajide musste ich mich leider gegen die Kombination aus Frauke und Lisa geschlagen geben. Zwischen dem Stress der Rennen gab uns der kleine Streichelzoo des Hotels mit Ziegen(-babys) und Hühnern eine willkommene Ablenkung. Nach den Ergebnissen der Rennen schätzte ich meine Position als relativ sicher ein. Am Abend nach dem letzten Rennen fiel die Entscheidung den Zweier mit mir und Frauke zu bilden. Seitdem trainiere ich den Doppelzweier mit Frauke unter der Leitung unseres Bootstrainers Alexander Schmidt. Wir blieben noch eine weitere Woche in Avis. Das Wetter wurde langsam besser und es machte Spaß, nach den langen Wochen der Selektion nun in Ruhe in einem Boot trainieren zu können. Um die Qualifikation für den Doppelzweier in Luzern zu fahren wird nicht leicht, aber ich glaube, dass wir eine gute Chance haben, diese zu holen und freue mich weiterhin sehr auf die Saison.

Sarah Wibberenz